Wie schon in den Jahren zuvor begleite ich den Eigner der Moana Blue – ein 12 m Van de Stadt Segler, der in 8 Jahren Bauzeit in Frankfurt in Eigenregie des Skippers entstanden war – für ein paar Tage auf die Ostsee.
Schon 2014 war ich auf dem Boot auf seiner Jungerfernfahrt von Fehmarn bis in den Kalmar Sund hinauf mitgesegelt. In 2015 dann erneute von Travemünde bis in die Schären vor Stockholm, 2016 von der polnischen Grenze zurück ins Winterlager nach Travemünde und 2017 wieder von Travemünde an der schwedischen Westküste hinauf nach Göteborg. Das haben wir allerdings erst erreicht, nachdem wir 3 Tage in Varberg wegen Starkwind festlagen. Dabei waren wir nicht allein: auch ein englischer Grosssegler musste auf milderes Wetter warten.
Diesmal soll es von Lauterbach auf Rügen über Stralsund und den kleinen Hafen Vitte auf Hiddensee in die dänische Südsee gehen und von dort in die Schlei, wo dann andere Freunde des Eigners übernehmen. Wie in den Vorjahren, wurden es wieder wunderbare, ja vielleicht sogar die schönsten Segeltage, denn auf den Motor mussten wir diesmal fast nur in den Häfen zurückgreifen.
Im schönen Yachthafen Im Jaich in Lauterbach gehen wir aufs Schiff und bereiten alles für die kommenden Tage vor. Nachdem Lebensmittel eingeholt und gebunkert sind, gönnen wir uns eine leckere Dorade im Werftrestaurant am Hafen. Am nächsten Tag machen wir gegen 9 Uhr los durch den Greifswalder Bodden zur ersten Station im Stadthafen von Stralsund mit einem Besuch auf dem sehenswerten Segelschufschiff Gorch Fock II. Nach einer bewegten Geschichte – u.A. in der Ukraine -, hat sie nun wieder in Stralsund festgemacht. Mit hohem Engagement bemüht sich eine private Gruppe zusammen mit der Stadt darum, sie wieder segelklar zu machen.

Bevor wir den Stadthafen erreichen müssen wir aber noch durch die Klappbrücke, wo schon viele andere Boote auf die Öffnung warten. Wie bei einer Regatta versuchen wir uns in eine günstige Startposition zu bringen. Irgendwann gibt der Brückenwart grün und nun beginnt der Run auf die besten Plätze im Hafen.

Am nächsten Tag segeln wir im geschützten Innenwasser von Hiddensee hinauf nach Vitte. Die gebaggerte gut betonnte Fahrrinne ist schmal und uns kommt eine „Armada“ heimkehrender Boote entgegen – der Sommer geht für viele jetzt schon zu Ende. Wenn dann noch die Fähre aus Schaprode, kommt wird es sehr eng, denn das Flachwasser zu beiden Seiten erlaubt keine großen Ausweichmanöver. In Vitte sind es vom Yachthafen nur ein paar Schritte über Land auf die offene Westseite zur Ostsee hin. Das ungewöhnlich warme Wasser lädt zu einem Bad ein. Am Abend liegt dann noch im Restaurant Godewind ein gebratener Dorsch auf dem Teller – köstlich!

Der nächste Tag beginnt früh, denn wir wollen heute über die offene Ostsee nach Dänemark segeln. Mit eingebundenem ersten Reff hart am kräftigen Wind ( bis 15 Kn) und viel auf der Kreuz laufen wir bei 0,5 m Welle von Rügen an die dänische Süd-Ost Spitze. Nach 10 Stunden und 54 Seemeilen machen wir in Harbølle fest. Der Anleger klappt prima und wir werden von freundlichen Dänen mit einem Gin Tonic empfangen – auf der Hafenmole findet gerade eine Verkostung eines aus Kräutern der Insel destillierten Gin statt.
Nicht ganz so früh aber wieder mit gutem Wind aus Süd-West geht es am Tag darauf weiter unter der imponierenden Hängebrücke der Vogelfluglinie und gleich danach folgenden Bogenbrücke der internationalen Eisenbahnverbindung weiter. Wir wissen, dass die Masthöhe kein Problem für die Brückendurchfahrt bedeutet, es ist aber doch immer wieder ein kurzer Spannungsmoment, wenn es dann wirklich drunter durch geht.

Später kommt wieder mehr Wind auf und mit 15-20% auf der „Backe“ liegend kommen wir zunächst bis auf 5 Sm an unser Tagesziel, die Insel Varø heran. Dann lässt der Wind etwas nach und wir nähern und nur kreuzend. Auf der Logge stehen 43 Sm als wir gegen 18.30 in den kleinen Hafen einlaufen. Wir können uns einen Platz aussuchen, denn es sind nur noch einige deutsche Boote da. Im gemütlichen, aber teuren Restaurant beschließen wir den Tag mit einem Essen, das ein bisschen an Nouvelle Cuisine erinnert: geräucherter Fasan mit Kräutern und Schäumchen, gefolgt von Lamm und Gemüse – alles aus eigener Produktion von der Insel. Auf dem Teller und für wettergeprüfte hungrige Mägen sieht das zunächst sehr „übersichtlich aus“. Wir sinken gleichwohl satt, allerdings um etliche Euro ärmer, in die Kojen. Für den nächsten Tag ist schlechtes Wetter mit Starkwind angesagt und so beschließen wir einen Ruhe- und Lesetag, der nur durch eine Fahrradtour um die Insel mit Halt bei den prächtigen Brombeersträuchern und der Fasanerie unterbrochen ist. Einen Höhepunkt gibt es gleichwohl gegen Abend, als der 1939 von Harold S.Vanderbilt beauftragte und Olin J. Stephen gebaute Großsegler aus der Serie der 12 Metre Class, die unter amerikanischer Flagge segelnde VIM US-15, einläuft.
Der Anleger gelingt der stramm geführten und von uns unterstützten achtköpfigen Crew erst im zweiten Anlauf, da im 3 Meter tiefen Hafenbecken rechnerisch nur 20 cm Wasser unter dem Kiel bleiben, sodass alle etwas den Atem anhalten. Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen können: der VIM werden wir auf unserem Törn noch mehrfach und auch unter ganz anderen Umständen begegnen.
Varø ist eine private Insel mit ausgezeichneter Infrastruktur im leider auch teuren Hafen. Da die Betreiber alle weiteren Dienstleistungen, so und auch Grillholz an sauberen Grillplätzen sowie Fahrräder zur Erkundung der kleinen Insel ohne weitere Kosten bereitstellen, lohnt sich der Anleger hier doch. Der Hafen fasst 86 Boote und die Liegeplätze sind in der Ferienzeit immer sehr gefragt, so heißt es.
Die nächste Etappe führt uns bei kräftigem Gegenwind kreuzend an der Ostküste von Langeland hinauf. Als wir das Fahrwasser kreuzen und um die Spitze der Insel gehen, zieht hinter uns die VIM US-15 auf. Wir drehen nach Lohals ab und machen dort nach 27 Sm fest. Wegen der auch im Führer verzeichneten netten Atmosphäre drängen sich alle Neuankommenden in den engen Fischerhafen, obwohl es direkt angrenzend einen gut ausgebauten Yachthafen gibt. Nach uns machen auch mehrere Traditionssegler hier fest, finden aber auch noch Platz an der Mole der ohnehin schon engen Einfahrt zum Fischereihafen.
Am frühen Morgen sortieren sich die teils im Päckchen vertäuten Boote erstmal für die enge Ausfahrt. Die in der Hafeneinfahrt liegende Ketsch ist auch schon früh los, sodass es schon nicht mehr ganz so eng zu geht. Wir gehen als eines der letzten Boote um 10 Uhr raus und kreuzen bei kräftigem Wind aus Süd hinunter nach Trønse. Nach dreieinhalb Stunden sind die 18 Seemeilen geschafft und wir machen im Hafen von Trønse fest.
In diesem netten kleinen Hafen kassiert noch der akkurat in Weiß gekleidete ältere Hafenmeister selbst am Boot. Offenbar ist dieser Ort auch bei den Eignern klassischer Segelboote sehr beliebt, denn im Laufe des Nachmittags machen noch mehrere sehr schön erhaltene Boote hier fest. Hoch über dem Hafen und mit gutem Blick aufs Wasser können die gut erhaltenen Kapitänshäuser bewundert werden. In zweiter Linie ebenso gut erhaltene und gepflegte mit Reet gedeckte Fachwerkshäuser. Man kann von Trønse aus schon fast die Stadt Svendborg erahnen und so scheint der Ort auch für viele Pendler ein ruhiger schöner Wohnort für gut Betuchte zu sein (was aus den vielen dicken SUVs in den Strassen geschlossen werden kann). Eine halbstündige Wanderung führt uns auch noch zum Valdemar Schloss, das 1639-1644 vom dänischen König Christian IV für seinen Sohn
Valdemar Christian erbaut wurde. Im Einfahrtsstrom nach Svendborg war es strategisch positioniert, um von vorbeifahrenden Händlern den Wegezoll zu kassieren. Für eine Wanderung auf die die nahe gelegene Höhe und die in Reiseführern beschriebene grandiose Aussicht vom Kirchturm über die dänische Insellandschaft, fehlt uns leider die Zeit – der Magen knurrt und wir haben in einem von Privatpersonen betriebenen kleinen aber gut sortierten Laden Grillgut erworben, das aufs Feuer muss. Und da ist sie auch schon wieder: am Nachmittag zieht die VIM US 15 vorbei mit Kurs auf Svendborg und Schlei. Warum sie Kurs auf die Schlei nimmt, wird uns aber erst später Tag klar.
Der nächste Tag bringt zunächst einen frühen Festmacher im Stadthafen von Svendborg mit Stadtbummel und – endlich – köstlichen Cappuccino aus einer italienischen Expressomaschine. Wieder sehen wir hier viele Traditionsschiffe einlaufen oder am Kai vertäut.

Nach kurzem Aufenthalt geht es weiter nach AEroskøping. Die Stadt hat einen Handelshafen mit Traditionswerft und Anleger für die im Stundentakt fahrende Fähre von Svendborg und den sehr gut organisierten Yachthafen. Der Handelshafen ist für eine Regattaankunft für den übernächsten Tag reserviert und so machen wir im Yachthafen fest. Der Windfinder sagt eine Gewitterfront mit Starkwind bis 30 kn für den nächsten Tag voraus und so legen wir einen zweiten Lese- und Ruhetag ein. AEroskøping ist auch als dänische „Puppenstadt“ bekannt. Die Häuser sind so niedrig, dass man die Dachrinnen leicht mit ausgestrecktem Arm erreicht. Wir machen einen Rundgang durch den Ort, der in der ‚Fischrogerie‘ mit lecker geräuchertem Lachs mit Kartoffelsalat endet. Am Nachmittag erwischt uns das angesagte Gewitter bei einer kleinen Wanderung zum Weststrand. Wir können uns unter das Vordach eines der winzigen Strandhäuschen retten und werden später belohnt durch einen kompletten Regenbogen, der allerdings die Brennweite unsere Kameraobjektive etwas überfordert.

Am nächsten Tag gehen wir erst am späten Vormittag raus. Wir hoffen, die ersten Boote der Peter Gast Schifffahrtsregatta Schlei-AEroskøping an der Spitze der Insel AErø zu treffen. Auf dem Plotter verfolgen wir, wie eine Armada von bis zu 150 gemeldeten Booten aus der Schleimündung heraus kommt und Kurs auf Skjoldnaes nimmt. Unser Kalkül geht auf, denn tatsächlich sind die schnellsten 20 m Schiffe gerade um die Nordspitze von AErø gewendet , als auch wir dort ankommen. Und siehe da, wer liefert sich ein enges Rennen um Platz drei oder vier? Natürlich die VIM US 15, nun mit Regattabesatzung in roten Dress.

Wir verlassen unseren Beobachtungsposten und bleiben auf Kurs zur Insel Lyø By, die wir nach zweieinhalb Stunden und 16 Sm erreichen. Im engen Hafen manövrieren wir die 12 Meter lange und 7 to schwere Moana Blue in eine enge Box. Die Nachbarn stehen schon bereit, um unsere Festmacher aufzufangen. Nach erfolgreichem Anleger gibt es den üblichen Campari Orange zur Belohnung für gelungene Manöver.
Mitten auf der nur ca. 6 qkm großen Insel liegt der Ort Lyø. Bewirtschaftet wird sie seit einem halben Jahrhundert von 24 Familien. Mehre Teiche bilden Ruhe- und Blickpunkte auf dahinter liegende schmucke Fachwerkhäuser. Der Ort gilt als eines der schönsten Dörfer Dänemarks und ist nicht nur bei deutschen Seglern besonders beliebt. Auch die Kirche und seinem Friedhof mit Grabssteinen, die ins 18. Jahrhindert zurück reichen, ist sehenswert. Obwohl heute die Landwirtschaft dominiert, erinnert ein über Kirchenbänken aufgehängtes Modellschiffchen an die Fischertradition der Insel.
Die Insel Lyø By hat eine ganz besondere Geschichte, die, so wird gesagt, beinahe den Untergang Dänemarks bedeutet hätte: Einst dicht bewaldet war sie im 13. Jahrhundert ein bevorzugtes Jagdrevier des dänischen Königs Valdemar. Es gibt nun verschiedene Versionen, wie es weiter ging. Wir hörten diese: Zu seinem Jagdausflügen lud er gerne andere illustre Gäste ein, so auch im Jahr 1223 den Grafen Heinrich von Schwerin und seine Gattin. Der Graf soll nun ein Techtelmechtel von König Valdemar mit seiner Gemahlin vermutet haben. In der Nacht ließ er daher alle dänischen Botte zerstören, überfiel den König und nahm in fest. Die betrunkenen Gefolgsleute des Königs bemerkten weder die Zerstörung der Boote noch die Festnahme ihres Herrn. Erst nach drei Jahren und zähen Verhandlungen entließt der Graf König Valdemar aus der Gefangenschaft, nachdem dieser Ländereien in Norddeutschland abgetreten hatte. Eine zunächst geforderte horrende Lösegeldforderung hätte den dänischen Staatssäckel gesprengt und zur Staatspleite geführt.
Wir verlassen Lyø By mit Kurs auf die Deutsche Ostseeküste. Wir wollen in die Schlei, um das Boot in Kappeln für einige Tage dort zu lassen, bevor der Eigner mit neuer Mannschaft nochmal Kurs auf die dänische Südsee nimmt. An der Nordspitze non AErø treffen wir auf viele Regattateilnehmer, die auch die Heimreise in die deutschen Ostseehäfen angetreten haben. Und wieder zieht auch die VIM US-15 hinter uns auf. Im AIS kommt sie mit 10 kn deutlich schneller voran als wir, sodass wir eine knappe Stunde später fast gleichauf mit 100 m Abstand nebeneinander herlaufen.
Von Western her zieht eine dunkleGewitterfront auf. Die VIM dreht nach Nord-Ost ab. Wir entscheiden uns für ein zweites Reff und können der Front gerade so eben auch noch ausweichen, sodass wir nur noch Randausläufer mit bekommen. In der Schleimündung ist aber inzwischen eine zweite dunkle Gewitterfront aufgezogen, die uns mit Starkregen voll erwischt. Der Windmesser zeigt Maximalwerte von 27 kn an. Für das eigentlich notwendige dritte Reff hat die Zeit nicht gereicht. Auch die automatische Steuerung ist mit den entstandenen Kräften überfordert und dreht in den Wind. Mit Handsteuerung kommen wir aber ganz gut durch das Unwetter. Auf der Rückseite der Gewitterfront erwartet uns herrlichstes Sonnenwetter, sodass wir die Segel schnell wieder trocken bekommen. Am Ziel im Gasthafen von Kappeln herrscht eine nicht vorhersehbare starke Strömung, was uns noch einmal fordert aber um 18 Uhr liegen wir fest und stoßen an mit dem obligatorischen Campari Orange auf herrliche Segeltage in der Dänischen Südsee, die keine Wünsche offen ließen: großartige Blicke, schöne Landschaften, nette Orte, leckere Speisen und vor Allem allerbestes Segelwetter mit interessanten Routen fast immer hart am Wind, ganz selten unter Maschine und am Ende dann auch noch etwas herausfordernde Wetterlagen.
